Verkehrsmodelle im H0-Maßstab im Fokus

Neu an diesem Buch ist, dass die Verkehrsmodelle passend zum Jubiläum im Fokus des Buches stehen. Wobei man eigentlich auch Bildband sagen könnte, denn fast 650 Fotos sind das Herzstück des Buches. Um diese Fotos herum erzählt Biene die Entstehungsgeschichte der Verkehrsmodelle, zeigt Zeitzeugnisse und hält Wissen der Zeitzeugen für die Ewigkeit fest.

Dem sachkundigen WIKING-Sammler wird natürlich ein Teil der Geschichte der Fa. WIKING aus vorherigen Büchern und WIKING Magazinen bekannt sein. Für Sammler der H0-Modelle, die bisher noch keine große Berührung mit der Geschichte der Fa. WIKING hatten, oder ihre alte Liebe zu den Verkehrsmodellen gerade neu wieder entdeckt haben, ist das Buch ein sehr guter, kompakter Wissenseinstieg in das Thema. Und nach dem kurzen Einstieg in die Anfangsjahre ab 1948 geht es über diverse Themenwelten tief in die Modellhistorie hinein.

Blick ins Archiv

Und da kommt auch der langjährige WIKING-Sammler auf seine Kosten. Denn im Buch werden zahlreiche Holzmuster, Produktionsmuster, Skizzen und Ideengeber verewigt. Dinge die es vielleicht ab und an mal in der SIKU//WIKING-Modellwelt zu sehen geben wird, aber eben nicht immer für den Sammler zugänglich sind. Hier hat Biene ein Nachschlagewerk geschaffen, mit dem man sich diese Dinge und die Modellentstehung immer wieder vor Augen führen kann. Die Original-Dokumente kommen so nach vielen Jahrzehnten zur Veröffentlichung und werden neben die Modelle gestellt. Der Leser wird so mit auf die Reise der Modellentwicklungen und Wegeentscheidungen von WIKING-Gründer Fritz Peltzer, aber auch seiner Nachfolger genommen.

Vom Original zum Modell

Einen Schritt weiter gehen die Betrachtungen der Vorbildfahrzeuge. An Hand von Katalogabbildungen oder auch Maßzeichnungen der Vorbilder aus dem WIKING-Archiv zeichnet Ulrich Biene zusammen mit handschriftlichen Notizen von Peltzer die Modellentstehung diverser Modelle nach. Ob VW Buggy, Mercedes C 111 oder auch Jaguar E-Type. Darüber hinaus zeigt das Buch an Hand ausgewählter Modelle die Einflüsse der Industrie auf die Vielfalt des Modellprogramms auf. Aufbauten für Lastwagen, Auflieger-Vorbilder oder auch Speditionsthemen.

Schon früh in der Geschichte der Verkehrsmodelle waren Industrieaufträge prägend für das Modellprogramm. Neben der eigenen Suche nach Modellvorbildern durch Peltzer und sene Mitarbeiter kamen so neue Formen und Beruckungsvarianten ins Portfolio und Serienprogramm. Durch Auftraggeber von Sondermodellen bereicherten in den letzten Jahren aber auch neue Themenwelten z.B. rund um Spedition Wandt, Müller & Sinning oder auch Gasolin die Modellhistorie. Fotos von Dioramen, in denen diese, aber auch ältere unverglaste und verglaste, Fahrzeuge in Szene gesetzt werden, bebildern hier immer wieder die Informationen. Dadurch ergeben sich im Buch wiederkehrend interessante Vor- und Rücksprünge in der Modellhistorie und es lassen sich Parallelen ablesen. 

Sammler, Wegbegleiter und Wegbereiter

So kommen auch einige Sammler in den Genuss, ihre liebevoll gestalteten Dioramen mit ihren Herzensthemen und -modellen in diesem Buch wieder zu finden. Da macht das Buch seinem Titel zum ersten Mal alle Ehre. Die Sammelleidenschaft einiger Sammler wird hier auf diese Weise – wie schon in früheren Büchern – gewürdigt.

Die im Buch erwähnten Sammler stehen stellvertretend für die breite Sammlerschaft, die nicht nur durch den Kauf der Modelle zum Erfolg der Verkehrsmodelle beigetragen haben, sondern auch durch Modellvorschläge immer wieder Ideengeber für neue Modellkreationen, Bedruckungen nach Vorbildfahrzeugen waren und bis heute sind. Der Fortschritt bei der Bedruckungstechnik hat WIKING gerade bei den Modellen aus den historischen Formen die Möglichkeit gegeben, viele Vorbildfahrzeuge zu realisieren, die man so vor 40 oder 50 Jahren so nicht hätte umsetzten und gestalten können.

Die feine Bedruckung macht heute zudem oft deutlich, wie gut der Formenbau, noch ohne Computerunterstützung, schon damals war. Diese Leidenschaft besondere Modellautos erschaffen zu wollen, hatten die Firmeninhaber und Mitarbeiter der Firma WIKING alle gemeinsam in den letzten 75 Jahren. Und die lässt sich an den Modellen und der Modellvielfalt ablesen und erleben.

So bündelt das Buch zunächst die kreativen Ideen des Gründers Friedrich Peltzer, seine Versuche neben den Verkehrsmodellen auch die Flugzeuge und Schiffe wieder in den Fokus der Sammler zu bringen, und die Rolle der WIKING Modelle als Werbe- und Verkehrserziehungsmodelle, würdigt aber auch seine Wegbegleiter und Mitarbeiter, wie den Modellbaumeister Alfred Kedzierski.

Fast 35 Jahre entwickelten Peltzer und seine Mitarbeiter die Verkehrsmodelle in der WIKING-Villa, zu der es auch Zeichnungen und alte Fotos im Buch gibt, Unter den Eichen 101 immer weiter, und gaben ihnen die modellbauerische Handschrift, die sie heute noch in weiten Teilen noch tragen. Und da liest man dann auch über einen sehr selbstkritischen Peltzer im hohen Alter, der mit dem Ergebnis des Formbaus für den VW Jetta so gar nicht zufrieden war. Aber ganz ehrlich, der Jetta hatte es 1981 als Neuheit seinerzeit auch schwer neben dem Meisterstück Mercedes-Benz 500 SE.  

Sicher auch im Fachhandel. Einige Schaufensterfotos und Geschichten zu ausgewählten Fachgeschäften finden sich bereichernd auch im neuen Buch wieder. Das lässt beim Betrachten dann sofort eigene Erinnerungen an die Einkaufserlebnisse der Kindheit wach werden. Oder einen auch beim Anblick des inzwischen geschlossenen Fachgeschäfts Puppenkönig in Bonn etwas wehmütig zurück blicken, wo man vor ein paar Jahren noch zu den WIKING-Verkehrsmodellen die gewendelte Treppe hinaufgestiegen ist.

Weiterentwicklung der Wiking-Philosophie

Nach dem Tod von Friedrich Peltzer werden die Geschicke der Firma WIKING 1984 in neuen Hände gelegt. Die Leidenschaft Volker Siepers für Modellfahrzeuge und Verkehrsmodelle, und seine Entscheidung die Firma WIKING in die Zukunft zu führen, wird in dem Buch ebenso gewürdigt. Seit fast 40 Jahren, und somit länger als in der “Peltzer-Ära”, rollen die Verkehrsmodelle nun aus dem Hause Sieper zu den Sammlern und Modellbahnern. Mit großer Leidenschaft weiterentwickelt, die Tradition im Blick sind so in den letzten vier Jahrezehnten wieder völlig andere Modellthemen entstanden und einer neuen Generation von Sammlen ans Herz gewachsen. Neuentwicklungen von Funktionsmodellen wie dem Grove Autokran, aber auch die stückweise Revitalisierung des Formenschatzes fallen in diese Ära.

Ulrich Biene gibt mit Fotos aus der Zeit in der Berliner Industriestraße in diesen Teil der WIKING-Historie ebenso Einblicke, wie z.B. in die Modellentwicklungen der detailreichen landwirtschaftlichen Modelle, oder auch der Weiterentwicklung des Modellprogramms unter Zuhilfenahme der historischen Formsprache der WIKING Verkehrsmodelle, um den vorhandenen Formenfundus für neue Lastwagenkombinationen nutzen zu können.

Verkehrsmodelle von 1948 bis 2023 – in Zeitraffer durch 75 Jahre

Der Lauf der Zeit in einem Buch. Zum Jubiläum zeigt es die Vielfalt der Themenwelten auf, in der sich die WIKING Verkehrsmodelle in den letzten 75 Jahren bewegt haben. Die bunte Mischung aus Dioramen, Vorbildfotos, Prospektabbildungen und Modellfotos lädt immer wieder zum Blättern, Weiterlesen und Entdecken ein.

Neben dem “Basiswissen zur Geschichte” der Firma WIKING, von der Entstehung des ersten Sortiments im Maßstab 1:100 mit Drahtachsen, über die verglasten Rollachser im angenäherten H0-Maßstab bis zu den heutigen Neuentwicklungen in 1:87, bietet dieses Buch auch erfahrenen Sammlern ein reich bebildertes Zeitdokument mit vielen Einblicken in das Firmenarchiv, die so an keiner anderen Stelle zu finden sind.

Und das Buch inspiriert, die eigene Leidenschaft mal wieder spielen zu lassen, und die Modelle in der Vitrine vielleicht doch mal etwas anders zu präsentieren. Oder auch, wie in den Fotos hier im Bericht angedeutet, mal die eigenen Modelle mit den Holzmustern oder Vorserien im Buch zu vergleichen. Lesenswert.