Der erste Mercedes-Benz 300 SL (W 198) ist eine automobile Stilikone. Technisch damals ganz weit vorn, super leicht und super schnell. Der SL ist der Sportwagen des 20. Jahrhunderts. Die Flügeltüren charaktaristisch, die Form einzigartig. 1954 vorgestellt und bis 1963 gebaut, war er der Supersportwagen seiner Zeit.
Er faszinierte nicht nur gestandene Männer, sondern auch die Kinder jener Zeit sofort. Gefühlt hat jeder Hersteller von Modellautos in den letzten 70 Jahren mindestens einen MB 300 SL im Programm gehabt. So auch WIKING. Firmengründer Peltzer hat die Faszination erkannt, sicher auch geteilt. Denn der SL nimmt auch im WIKING Programm schon Zeit seines Lebens eine stetige Rolle ein.
1956 erscheint unter der Programmnummer 23 die erste Version des 300 SL, noch unverglast. Die Form ist gut getroffen, was der Linienführung des Originals nicht einfach und selbstverständlich ist. 1959 wird die Form umgebaut, und das Modell erscheint 1960 mit einer eingesetzten Verglasung. Das einfach gestaltete Fahrgestell erhält 1962 noch eine feinere, vorbildgerechte Struktur am Unterboden. Das WIKING-Modell wird vier Jahre länger gebaut als das Original. Für kurze Zeit verfliegt die Faszination.
Für die Klassiker-Reihe will Peltzer das Modell Anfang der 1980er Jahre wieder auflegen. Wie bei den LKW-Veteranen sollen PKW aus alten Formen nach kleiner Überarbeitung wieder ins Programm aufgenommen werden, da Peltzer das wachsende Interesse an Oldtimern erkannt hat. Bei einigen Modellen, wie dem Ford 12M (0821) oder dem 1981 angekündigte Opel Caravan ’56 (0077), wurden sogar die noch unverglasten Formen bereits umgebaut für einen Verglasungseinsatz modifiziert. So nahmen sich die Formenbauer auch dem MB 300 SL an, der schließlich 1983 unter der Nummer 138 angekündigt wurde. Aber er erschien wie viele der Modelle nie, bzw. erst jetzt in neuerer Zeit. 2006 zum Beispiel der Opel Caravan ’56 (0850), und in diesem Jahr der legendäre MB 300 SL aus der alten Form. Doch Stopp. Irgendwas ist anders als beim Modell aus den 60er-Jahren. Denn bei der Formaufbereitung Anfang der 1980er-Jahre haben die Formbauer einige Änderungen an der Karosserie vorgenommen.
Gut zu erkennen mit einem silbernen Vergleichsmodell, welches auf dem Bild oben mittig zu sehen ist. Die silberne Karosserie ist eine Probeabspritzung um 1983 aus der überarbeiteten Form. Links der Klassiker aus den 60er-Jahren, rechts das neue Serienmodell. Der direkte Vergleich zeigt, dass der Grill angepasst wurde, leicht vergrößert, der Stern feiner graviert. Die Blinker sind kleiner geworden.
Die Luftgitter an der Seite sind ebenso überarbeitet worden wie die Kotflügelausstellungen vorne und hinten. Die Rückleuchten sind vorbildgerecht flacher und feiner geworden. Die Seitenfenster wurden minimal größer. Die Bodenplatte wurde überarbeitet und für die Neuauflage mit der zeitgenössischen Bodenprägung versehen. Und so wurde sie nun auch für den neuen SL verwendet, inkl. Hinweis auf den damaligen Produktionsort Berlin-W.
Diesen Status beim Formbau erlebt Peltzer schon nicht mehr, er stirbt 1981. Das Projekt MB 300 SL nicht, er kommt 1984 als Klassiker unter der Nummer 3300 ins Programm. Jedoch ganz anders als geplant.
Denn 1983 fällt eine Entscheidung gegen die Wiederauflage aus der alten, überarbeiteten Form. Die am Sammlermarkt angebotenen Probesptitzungen aus der Form weisen häufig Fehler auf, sind zum Teil nicht vollständig ausgeformt. Auch das in diesem Bericht gezeigte Modell ist an der Frontscheibe nicht richtig ausgeformt, der silberne Kunststoff weist bei allen Probespritzungen deutliche Laufspuren auf. Da man wohl auf jeden Fall bei WIKING eine silberne Variante auf den Markt bringen wollte, könnte das auch ein Grund dafür gewesen sein, eine neue Form für die Karosserie zu bauen. Das überarbeitete Chassis wird für das neue Modell, zunächst unter der Nr. 3300 im Programm, übernommen. Der neue 300 SL erscheint in Rot (unten im Bild) und Silber, bleibt aber nur bis 1988 im Programm.
Die Form vom Veteranen-Modell (3300 / 833), weniger gut gelungen und etwas zu unförmig geraten, geht 1988 defekt ins Archiv. Aber der MB 300 SL soll das WIKING-Progamm weiter bereichern. 1994 folgt die neuste Variante des Klassikers. Wenn man das Modell sieht, soll man nicht meinen, dass die Form 2024 auch schon 30 Jahre alt wird. Denn die Details sind wie das Original faszinierend. Motorhaube und die beiden Flügeltüren lassen sich öffnen, und geben den Blick auf den nachgebildeten Motor- und Innenraum frei. High-End des Modellbaus, bis heute ein Meilenstein in der 75-jährigen Geschichte der WIKING-Verkehrsmodelle.
Und doch ist zu Recht Platz für eine Wiederauflage des 60er-Jahre Modells. Die Sammler lieben eben auch die klassische WIKING-Formbauhandschrift von Meister Kedzierski. Und die Form ist ihm sehr gut gelungen. Damit das Modell wieder erscheinen konnte, musste die Form erneut überarbeitet werden. Und der neue, alte SL ist ein Zwitter. Denn die Bauteile kommen nun von zwei unterschiedlichen Modellgenerationen. Das Foto oben zeigt die Historie und Zusammenstellung dar, die unten im Foto am Ende des Berichts noch einmal mit Erläuterungen detaillierter aufgezeigt werden.
Das Fahrgestell und die dunkelrote Inneneinrichtung steuert der (hier rote) 80er-Jahre-SL (0833) bei. Die Verglasung entstammt noch dem Modell aus den 60er-Jahren (0230), jetzt klartransparent statt topas getönt. Dazu die alte, wie oben beschrieben mehrfach überarbeitete, Karosserieform der 50er-Jahre (0230). Erst nachträglich verglast, dann im Detail verfeinert und modifiziert. Jetzt perfekt lackiert in edlem Eisengrau, feine silberne Detailbedruckungen und ein schwarz bedruckter Grill. Auch, wenn er nicht mehr ganz der Alte ist: mit rot bemalten Rückleuchten, orangen Blinkern und gesilberten Scheinwerfern ist der alte MB 300 SL nach 56 Jahren wieder zurück im Programm.
Eine richtig schicke Erscheinung. Und damit kommt er doch noch zu der Ehre, die ihm schon 1984 eigentlich zu Teil werden sollte. Rückblickend muss man sagen, die Wiederauflage wäre schon damals schöner gewesen als die neue, schnell entwickelte Form von 1984. Eine richtig gute Entscheidung. So hat WIKING nun zwei Versionen des geschlossenen 300 SL Flügeltürers im Programm.
Und das WIKING-Modell fasziniert direkt wieder. Der 300 SL aus der alten Form hat kurz vor dem Serienmodell im Mai schon als → Sondermodell für das Nationale Automuseum Premiere gefeiert. Im September folgt dann schon die nächste Variante. Für das Auktionshaus Saure kommt ein Modellauftritt im Stil der 60er-Jahre-Modelle, Foto oben. Und die zeigt, wie unterschiedlich die Modellauftritte bei den Modellen aus den alten Formen sein können.
Bilderquelle: © Archiv & © Auktionshaus Saure (blauer MB 300 SL)
Modellevolution des WIKING MB 300 SL. Beginnend oben mit dem grünen unverglasten Modell (Bauzeit 1956 bis 1959), es folgt das nun verglaste Modell aus der modifizierten und umgebauten Form (Bauzeit 1960 bis 1967). Diese wird 1983 erneut umgebaut und modifiziert (silberne Karosserie). Das rote Modell ist die Neuauflage von 1984, welche bis 1988 gebaut wird. Aus diesen Modellen ist die aktuelle Modellvariante entstanden.