Ein Tag für die WIKING Sammler – von Könnern für Kenner.
So könnte man kurz den WIKING Tag umschreiben, denn der Satz trifft es genau. Nur käme das zu kurz, was an diesem Tag in der Luft lag. Eine freudige Stimmung, Herzlichkeit, strahlende Gesichter und viel Begeisterung an allen Veranstaltungsorten. Ich habe mich folglich für die lange Version entschieden.
Der Tag begann früh. Die Mitarbeiter der Firma WIKING waren auf früh anreisende Sammler vorbereitet und reagierten flexibel auf die sich schon um 9:30 Uhr im Logistik-Zentrum am Sonderverkauf bildende Schlange. Aus Paletten wurde schnell ein zusätzlicher Tisch hergerichtet, um den Verkauf schneller abwickeln zu können. Dem Besucher war bis kurz vor der Kasse am frühen Morgen in der Regel nicht klar, was er da kaufen kann – aber man stellte sich brav und geduldig an. So muss man sich in der ehem. DDR gefühlt haben; man wusste nicht was es gibt, aber es wird schon gefallen und man wird es brauchen können.
Angeboten wurden im Logistik-Zentrum, wie an der Modellwelt, neben den beiden Sondermodellen zum 85. Jubiläum (siehe → Meldung 17.044) auch zwei der Sondermodelle aus den Steglitzer Ausstellungen in Berlin und einige ältere Werbemodelle aus Restbeständen. Darunter der MB SK Sattelzug „Bauknecht“ (Ladegut Märklin 1992), das BMW 325i Cabrio „WIKING“ (1993), der MB Lastzug „Seufert“ (1992) und eine Scania Solozugmaschine in pink (1993). Des weiteren die Super Constellation (werkseitig ausverkauft) und die Buspackung „50 Jahre WIKING-Verkehrsmodelle“ aus dem Jahr 1989. Neben dem noch nicht angekündigten Buggy war sicher der Verkauf des MAN SD 200 Doppeldecker zum Tag der offenen Tür 1986 bei WIKING eine der großen Überraschungen. Bislang eine Seltenheit in Sammlerhand, hat man sich entschieden, dass der WIKING Tag der richtige Rahmen ist, das Modell nach über 30 Jahren Einlagerung in viele Sammlerhände abzugeben. Und so kam das Modell aus den Anfängen in der Industriestraße in Berlin zu neuen Ehren und erinnerte mit den anderen Zeitgenossen aus den frühen 90er Jahren an diese Firmenepoche bei WIKING.
Als man dann die Auswahltafel (siehe Bild rechts) vor sich hatte, war der Puls binnen 30 Sekunden vor Begeisterung hoch gefahren und die Kassensumme dreistellig. Barzahlung, Kartenzahlung – beides für ein entspanntes Einkaufserlebnis möglich. Ein Detail von vielen an diesem Tag: es war wirklich an alles gedacht. Die Modelle waren alle in ausreichenden Mengen vorhanden, so dass am Nachmittag auch ohne lange Schlange ein Modell nach Wunsch erworben werden konnte.
Erlebnisprogramm an zwei Standorten
In der → Modellwelt – auch hier zu Anfang Schlange stehen – wurde der neue Büssing 12.000 in transparenter Ausführung verkauft. Des Weiteren wurden, solange der Vorrat reichte, der transparente D38 „Wimo Sip“ und der MB Kehrwagen (ausverkauft) aus den Vorjahren angeboten. Neben der neu gestalteten Ausstellung mit vielen neuen Exponaten und Einblicken in die Firmengeschichte, konnte auch das neue WIKING-Buch von Ulrich Biene eingesehen werden. Im Shop wurde dies und die April-Neuheiten angeboten, die dort auch zum Anschauen in Vitrinen gezeigt wurden.
Auf Grund des umfangreichen und guten Angebotes in Form von Kaltgetränken, Kaffee, Waffeln und Bratwurst an beiden Standorten war auch für die Grundbedürfnisse Hunger und Durst gesorgt. Bezahlt wurde mit roten Wertmarken, deren Seiten mit WIKING-Logo und Modellwelt-Logo versehen sind. So etwas gab es bei WIKING ja schon einmal … Tradition und Moderne waren mehrfach dicht beieinander an diesem Tag.
Zwischen den beiden Veranstaltungsorten war wie angekündigt ein Bustransfer mit zwei Bussen eingerichtet. Wer Glück hatte wurde „artgerecht“ mit dem bei der MVG im Einsatz stehenden Bus mit Modellwelt-Werbung gefahren. Damit war nicht nur die Parksituation sehr entspannt, denn auch die Besucherströme verteilten sich somit auf die zwei Standorte in Lüdenscheid.
Für die Unterhaltung hatte sich das Organisatorenteam einiges ausgedacht und zusammen mit einem Eventteam gut organisiert. Für die mitgereisten Kinder standen die bekannten Spielbereiche in der Modellwelt zur Verfügung, inklusive der Control-Fahrzeuge in beiden Maßstäben von SIKU und WIKING.
Für die großen Kinder gab es ein Quiz mit zwei Schwierigkeitsstufen (Einsteiger und Profi), eine Fotoaktion mit Erinnerungsfoto, und eine Spendenaktion. Deren Erlös kommt einem wohltätigen Zweck zu Gute. Jeder Spender erhielt für einen Mindestbetrag von 2 Euro einen roten VW Caddy Kastenwagen, den er nach Belieben beschriften konnte. Dieser wurde auf der Spendentafel aufgeklebt und erinnert so individuell künftig an diesen Tag und die Spender in der Modellwelt.
Podiumsgspräche gaben Antworten
Drei Podiumsgespräche mit Mitarbeitern und Gästen bereicherten den Tag mit interessanten Einblicken in Unternehmensgeschichte und -philosophie des Familienunternehmens. Ulrich Biene führte durch die Gespräche zu Vertrieb, Produktentwicklung und Historie.
Unter anderem erzählte Volker Sieper über die – nennen wir sie „wilden Jahre“ – nach dem Tod von Friedrich Peltzer bis zur Übernahme von WIKING durch die Firma Sieper und den Umzug in die Industriestraße in Berlin. Nur wenige Stunden blieben dem Unternehmer damals für Buchprüfung und Angebotsabgabe, da man die Fa. Sieper zu spät über das Angebotsverfahren informiert hatte. Da schon vorher grundsätzliches Interesse bekundet und im Unternehmenskreis abgestimmt war, konnte man am Ende doch noch den Zuschlag vor den Mitbietern erhalten. Die Trennung der Unternehmensteile mit den Kernkompetenzen ist bis heute so wie damals geplant geblieben. Siku stellt Spielzeugautos her, und WIKING produziert Modellfahrzeuge. Wie locker die Atmosphäre war, zeigt die wiederholte Frage eines Gastes nach dem Kaufpreis, die Herr Sieper schlussendlich und souverän richtig beantwortete: über den Kaufpreis wurde zu Recht Stillschweigen vereinbart. Auch über die damaligen Mitbieter sei ihm, bis auf die Firma Fleischmann, niemand bekannt.
Dass man mit WIKING und dem dazu gehörenden Formenfundus einen kleinen Schatz erworben hatte war klar, jedoch waren die Produktionsbedingungen bereits Ende der 70er Jahre veraltet, die Spritzerei in bis zu sieben dienstleistende Unternehmen ausgelagert. Um die Firma in die Zukunft führen zu können, waren große Investitionen erforderlich. Ein neues Werksgebäude, Maschinenpark, Logistik – alles in einer damals noch durch die Mauer geteilten Stadt. Dafür musste man sich von der WIKING-Villa trennen, die als Standort nicht ausreichend groß war und baulich keine Basis für eine zeitgemäße Produktion bot. Aus heutiger Sicht hätte Volker Sieper die Villa privat aus dem Unternehmern herausgelöst. So sei es aber bei jeder Entscheidung. Mit dem über die Lebenszeit erworbenen Wissen würde man manche Entscheidung später vielleicht anders treffen, meinte er. Damals war es eine rein wirtschaftliche Entscheidung, der Verkaufserlös für die Modernisierung und den Fortbestand der Marke WIKING unerlässlich.
So sehr den Sammler die Modelle also begeistern, die Freunde der Marke sich neue Modelle nach einem bestimmten Vorbild wünschen, Frau Schleisik und Herr Schütte mussten hier in einer weiteren Fragerunde klar sagen, dass es neben zahlreichen modellspezifischen Gründen auch wirtschaftliche Gründe für oder gegen ein Modell gibt. Wenn das Modell in das Programm passt, es wirtschaftlich umsetzbar ist und man sich einen Markterfolg vorstellen kann, dann wird man sich dafür entscheiden. Im gleichen Zuge entscheidet man sich dann aber auch gegen einige andere Modellumsetzungen, die es dann erst zu einem anderen Zeitpunkt oder nie in das WIKING-Programm schaffen werden. So sei es auch bei den Doppelentwicklungen, die man nicht unbedingt will, aber manchmal im Wettbewerb vorkommen. Entscheidet man sich bewusst für ein Modell, was ein Wettbewerber bereits in ähnlicher Form oder einer anderen Typenepoche im Programm hat, dann weil man der Meinung ist, dass es das schon immer breit gefächerte WIKING Programm sinnvoll erweitert.
Darüber hinaus gab es Fragen und Antworten zu der aktuellen Diskussion über die Lizenzgebühren der Automobilhersteller und welchen Einfluss diese auf die Modellentwicklungen haben. Bei den Spur N Modellen wird es etwa alle zwei Jahre eine Formneuheit geben. Ansonsten wird man bei WIKING wie bisher in jeder Auslieferung ein bis zwei Abwandlungen in das Programmaufnehmen. Für größere Aktivitäten sei der Markt nicht stark genug. Auch Zukunftsfragen wurden angesprochen. Die Sammler wollten wissen, wie man seitens WIKING auf die immer kleiner werdende Anzahl der Fachgeschäfte reagiert, wie man die Modelle dann an Kunden bringt? Und vor allem an neue Kunden, die die Modelle nicht kennen? Den klassischen Weg wie zwischen den 1950er und 1980er Jahren über die Modelleisenbahn zu den WIKING Modellen gibt es nicht mehr häufig. Wie begeistert man junge Leute, die heute lieber digital im Netz unterwegs sind, für die Verkehrsmodelle? Klar war sicherlich allen Anwesenden, dass es keine Patentrezepte für die Branche gibt. Seitens WIKING beobachtet diese Veränderungen am Markt und arbeitet an Lösungen. Die Unterstützung des örtlichen Einzelhandels durch die → Markenshops bei WIKING und Siku ist ein solcher Schritt. Dem Trend der Digitalisierung hat man mit den Control-Modellen bei Siku und WIKING Rechnung getragen. Durch die zwei Marken bietet man den autobegeisterten Kindern über die analogen und digitalen Siku-Spielzeugmodelle den Einstieg in die Faszination Modellauto.
Ob es noch einmal weitere unverglaste Modelle mit erweitertem Bedruckungsumfang in die Serie schaffen könnten, wurde nicht verneint, jedoch sei der Markt dafür sehr begrenzt und der Formenbestand dahingehend nicht ausreichend geprüft. Neue, bislang unentdeckte Modelle wird man aus dem Formenbestand wohl auch nicht mehr erwarten können. Jedoch, so Herr Schütte, könne man bei der Werkzeugprüfung den Fund von kleinen Bauteilen nicht ausschließen. So seien noch nicht alle Schieber und Formeinsätze gesichtet. Größere Zubehörteile, wie die erst vor einigen Jahren zur Serienreife gebrachten Betonröhren oder die Straßenbauplatten, sind in Zukunft also eher unwahrscheinlich. Aber Detailbauteile wie der Büssing-Schriftzug, der dann am Büssing 8000 Kranwagen Verwendung fand, sind noch möglich.
Aktuell arbeitet man in Lüdenscheid am Rückbau der Dachstreben an den Karosserieoberteilen Bus und Kastenwagen beim T1 mit der großen Heckscheibe (300 / 310). Das Bulli-Modell kann künftig wieder ohne die Dachstreben für den Dachaufbau hergestellt werden, was neue Gestaltungsvarianten ermöglicht. [Ergänzung 11.05.17: Bilder vom Umbau und mehr dazu lesen Sie → hier bei WIKING]. Solche Formumbauten und Formmodifizierungen, wie auch Ergänzungen von Inneneinrichtungen bei Modellen seinen in Zukunft weiter denkbar. Hier wurde beispielhaft der Fiat 1800 von einem Sammler angesprochen.
Formenschau im Logistikzentrum
Wie komplex das Thema Formenbau ist konnte im Logistikzentrum erkundet werden, wo zahlreiche Formen aus allen Jahrzehnten ausgestellt waren. Von den Gussformen für Schiffsmodelle, über die alten Spritzformen z.B. von Arche und Tieren zur Arche, Möbel zum Landhaus, kleiner Tankstelle und Land Rover waren auch die Form der aktuellen E-Klasse zu bestaunen. An Hand der Formen wurde der Fortschritt im Formenbau und der zunehmende Detaillierungsgrad eindrucksvoll sichtbar. Mehrfachnutzung einer Form für verschieden Bauteile und Karosserien in frühen Jahren nach dem 2. Weltkrieg war ebenso zu entdecken, wie die Dopplung von Bauteilen in einer Form.
Vergleichbar war dies auch im Bedruckungsbereich dargestellt. Hier wurden die Bedruckungsverfahren ausgestellt und auch hier von den Mitarbeitern verständlich und eindrucksvoll erklärt. Wer hier aufmerksam hinguckte, entdeckte zwischen den Exponaten schon ein künftiges Serienmodell, welches voraussichtlich im Spätsommer zur Auslieferung kommt. An diesem wurden die Bedruckungsschritte und Umsetzung der Vorbilddetails bei aktuellen Modellumsetzungen gezeigt.
Bis zur Auslieferung lagern die fertiggestellten Modelle im Hochregallager, in welches ebenfalls ein Einblick gewährt wurde. Eine klassische Werksführung konnte aber für die große Anzahl der Besucher aus Sicherheitsgründen und Gründen der Geheimhaltung einiger laufender Modellprojekte nicht ermöglicht werden. Aber auch da haben sich die Verantwortlichen bei der Firma WIKING sich etwas nachhaltiges für die Firma und die Besucher des WIKING-Tages ausgedacht.
WIKING im Film
Kurz vor der Veranstaltung ist er fertig geworden, ein Film rund um WIKING. Der Film zeigte den Besuchern den Weg der WIKING Modelle im Unternehmen. Von der Modellidee zur Planung der Ausführung und Bedruckung, der Produktion bis hin zu Verpackung und Versand. Eine Werksführung in rund 30 Minuten – kompakt gezeigt werden Einblicke in alle Prozesse, alle Standorte und die Modellwelt. Mitarbeiter erzählen in dem Film über Ihre Arbeit und die Modellentwicklung, es werden Fertigungsprozesse gezeigt und erläutert. Der Zuschauer erhielt so eine umfassende Information über die Produktion und die Firmenphilosophie. WIKING dient dieser Film zum Meilenstein „85 Jahre WIKING“ künftig auch als Imagefilm für die Unternehmenspräsentation. Der Buggy „85 Jahre WIKING“ und seine Produktion spielen in dem Film eine wichtige Rolle. Aber auch hier gab es für den aufmerksamen Zuschauer schon einige interessante und sehr vielversprechende Ausblicke auf künftige Modelle.
Modellwelt als Begegnungsort
Der Film, die Sondermodelle und die Aktionen an diesem Tag gaben viele Anregungen für intensive Gespräche. Im überdachten Innenhof, wo das Podium aufgebaut war, den Zelten, im Hof vor und in der Modellwelt – überall ergaben sich Gespräche. Nicht nur unter den Besuchern, denn auch die Familie Sieper und die Mitarbeiter der Firma WIKING waren jederzeit ansprechbar und gaben auch in Einzelgesprächen Antworten auf die vielen Fragen der Sammler. Über die bisherige Transparenz in der Modellwelt hinaus hat die Familie Sieper und die Firma WIKING an diesem Tag sehr viel Nähe zugelassen, was viele der anwesenden Sammler sehr beindruckt und begeistert hat.
Es waren auch überwiegend nur Sammler an diesem Tag vor Ort, denn die Veranstaltung wurde bewusst nicht in Lüdenscheid beworben, um den Tag wirklich nur den WIKING Sammlern zu widmen. Diese waren zum Teil gemeinsam angereist. Es trafen sich hier Sammler, die sich von Sammlertreffen oder Stammtischen bereits kannten. Wer sich bislang nur digital über das WIKING-Forum kannte, lernte sich an diesem Tag dank Namensschildern auch analog kennen. Ansonsten war ich persönlich (und sicher auch einige andere) darüber überrascht, wer sich schon alles quer durch die Republik kannte und zusammen kam. In den Gesprächen, die ich führte und hörte, zogen alle eine positive Bilanz des Tages, waren begeistert von Organisation und Offenheit.
Viele WIKING-Sammler haben sich ein Museum gewünscht. Die Freunde der Marken SIKU und WIKING haben viel mehr bekommen. Die Familie Sieper hat mit dem Zweimarken-Museum → Modellwelt meines Erachtens viel mehr erreicht. Es ist nicht nur ein Ort geworden, an dem die Geschichte dokumentiert und archiviert wird, es ist auch ein Ort für Begegnungen von kleinen und großen Modellautoliebhabern geworden. Und auch der Standort hat sich gerade an diesem Tag als der Richtige erwiesen. Einige Sammler hätten das Museum lieber in der alten Villa „Unter den Eichen 101“ in Berlin verortet gesehen. Doch nur in Lüdenscheid kann es mehr sein als eine Geschichtssammlung. Denn hier am heutigen Entstehungsort der Verkehrsmodelle bleibt die Geschichte lebendig und wird erlebbar fortgeschrieben.
Und so können wir uns hoffentlich noch einmal auf einen so schönen Tag zum 100. Jubiläum freuen!
Bilderquelle: © Archiv blog.wiking-neuheiten.de